Was am Ende wirklich zählt: Die emotionale Bilanz – Einblick einer Trauerrednerin aus München
- hannalabita80
- vor 3 Tagen
- 4 Min. Lesezeit

Ich komme gerade von einer Trauerfeier. Vom Waldfriedhof in München, ein wunderschöner Friedhof übrigens.
Der Verstorbene war noch recht jung, 55 Jahre alt. Und die Trauer war überwältigend. Die Trauer ist IMMER groß. Manche Familien zeigen es nur mehr, manche können und wollen es am Tag der Trauerfeier aber auch nicht rauslassen.
Wir standen am Grab, der Friedhofswärter hat die Urne gerade runtergelassen und die Gäste hatten alle Wunderkerzen in den Händen. Aus meiner kleinen JBL Box lief von Frank Sinatra "My Way". Und die Angehörigen weinten. Weinten so sehr. Es schüttelte sie richtig durch.
So schnell konnte ich gar nicht schauen und ich weinte mit. Die Tränen sind einfach gekullert.
Und dabei ist mir wieder mal zwei Sachen sehr bewusst geworden:
Vor dem Tod sind wir alle gleich: warum der Beruf in der Rede kaum eine Rolle spielt
Vor dem Tod sind wir alle gleich. Es ist egal, ob jemand CEO war und eine Firma geführt hatte, viel Geld verdient hat und viermal im Jahr in den Urlaub fahren durfte. Oder ob jemand Toiletten gereinigt hat, den Cent dreimal umdrehen musste und einen körperlichen Knochenjob hatte.
Vor dem Tod sind wir alle gleich.
In meinen Lebensreden geht es auch fast nie um die Berufe, sondern um etwas ganz anderes: um das, was ich im zweiten Punkt nun festhalten möchte.
Im Leben zählt, wer am Grab um mich weint: Unsere emotionale Ernte
Es kommt im Leben drauf an, wer um mich weint. Wer mich vermisst, wenn ich gestorben bin, wer verzweifelt ist, weil er ohne mich nicht leben mag. Der an meinem Grab steht und es ihn beutelt vor Kummer. Weil er oder sie mich so lieb hatte.
Was will ich damit sagen? Ich wusste lange nicht, wie ich es formulieren kann, aber heute am Grab meines Verstorbenen, mit all der Familie um mich rum, die so geweint hatte, die so, so traurig war, da konnte ich es in Worte fassen.
Es kommt im Leben drauf an, was wir emotional hinterlassen. Was wir während unseres Lebens aufbauen an Gefühlen, Verbundenheiten, Beziehungen. An Liebe. Und was wir geben konnten.
Wann die Trauer anders ist: wenn die tiefen Bindungen fehlen
Ich sehe Trauer in so vielen Formen. In ganz seltenen Fällen habe ich Familien, die nicht so traurig sind. Und das hat nichts mit dem Alter der oder des Verstorbenen zu tun. Und auch nicht damit, dass sie es nicht zeigen können oder wollen.
Sondern es ist dann meist so, dass dieser Mensch zu Lebzeiten keine engen Beziehungen aufgebaut hat. Aus welchen Gründen auch immer. Dann merke ich, wie gesagt in sehr seltenen Fällen, dass die Trauer anders ist. Nicht so verzweifelt und überwältigend.
Aber heute, auf dieser Trauerfeier wurde mir einfach mit voller Wucht nochmals bewusst, worauf es im Leben ankommt: auf die Liebe, die wir in unserem Leben gesät haben.
Und dann hab ich nachgedacht. Nachgedacht darüber, wer bei mir am Grab stehen würde und um mich weinen würde? Ich habe angefangen zu zählen. Die Menschen zu zählen, in deren Leben ich Liebe gesät habe. Mein Mann. Den ich sicher oft genug nerve mit meinem kleinen Aufräumfimmel, der mich aber schon vermisst, wenn er mal ein Wochenende getrennt von mir ist. Mein Kind, der sowieso mein kleines Mamakind ist, der noch nicht genug von mir kriegt. Meine Schwester, die mich eigentlich am allerbesten von allen Menschen um mich rum kennt. Die mit mir gern auch mal streitet und sich wieder verträgt, weil wir uns ein Leben ohne der Anderen nicht vorstellen können. Meine Mama und mein Papa, die immer für mich da sind, wenn Not an Mama und Papa ist, meine Bonusmama, die extra wegen mir jedes Jahr ihre Rumplätzchen backt, obwohl sie super aufwändig sind und sonst eigentlich niemand so sehr liebt wie ich. Meine besten Freundinnen, die täglich meine ganz persönliche Emotionshotline sind. Die meine inneren Stimmen geworden sind. Für die ich, egal was ich mache, die Beste bin. Das ist nicht wenig, oder? Mich hat das beruhigt, um ehrlich zu sein. Beruhigt, weil ich weiss, ich habe Liebe gesät. Ich bin eifrig dabei.
Das gute Ende
Klingt etwas pathetisch? Darf es auch. Manchmal darf es pathetisch sein, besonders, wenn man so nah am Leben und am Ende steht wie ich in meinem Beruf.
Ich stehe Woche für Woche an diesen Gräbern, hier im schönen München oder anderswo, und ich sehe es immer wieder: das einzige, was über den Tod hinaus Bestand hat, ist die Liebe, die wir in den Herzen der anderen hinterlassen haben. Sie ist unser größtes Erbe.
Das ist die einzige Währung, die am Grab wirklich zählt. Und das ist das, was uns alle verbindet, egal ob Top-Manager oder einfach Mensch.
Wenn ich Euch etwas wünschen kann, dann: geht los und sät diese Liebe. Immer wieder, jeden Tag. Auch wenn das im Alltag natürlich nicht immer klappt – ich erinnere mich an heute Morgen, als ich mein Kind leider angeschrien habe, weil es nach dem hundertsten Mal Aufforderung immer noch nicht Zähne putzen wollte. Aber wir dürfen uns dennoch jeden Tag daran erinnern: Im Grunde geht es darum, Liebe zu säen. Jeden Tag ein bisschen. Denn das macht das Leben am Ende nicht nur lebenswert, sondern die Trauerfeier – falls sie dann kommt – zu einem Ort überwältigender Wärme.
Was zählt für Dich?
Ich würde mich freuen, Deine Gedanken zu hören: Was ist die wichtigste Erkenntnis, die Du aus einem Abschied gezogen hast? Schreibe es mir in die Kommentare.
Eure Hanna
Du suchst Worte für einen Abschied in München?
Wenn Du Unterstützung bei der Gestaltung einer liebevollen Trauerfeier brauchst, die die Liebe des Lebens feiert, bin ich für Dich da. Nimm unverbindlich Kontakt mit mir auf, damit wir über die ganz persönliche Rede sprechen können.




Kommentare